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Flieger des Monats

Bootsmannsmaat Siegfried Schnetzer

von Stefan Stachniß.

Unter den bislang hier vorgestellten Fliegern nimmt Siegfried Schnetzer eine Sonderstellung ein. Wie die Bezeichnung seines Dienstgrades deutlich macht, war er Angehöriger der k.u.k. Kriegsmarine und der einzige Vorarlberger, der seinen Dienst als Pilot bei den k.u.k. Seefliegern absolvierte.

Siegfried Schnetzer wurde am 31. Dezember 1893 als Sohn des Stickers Gottfried Schnetzer und dessen Frau Katharina Keßler in Schlins geboren.[1] Er kam als Schiffsjunge nach Šibenik und besuchte dort die Matrosenschule. Während seiner Zeit bei der Marine erreichte er den Rang eines Bootsmannsmaats. Es darf angenommen werden, dass er bis zum Oberstabsbootsmann, dem höchsten Unteroffiziersrang, aufsteigen konnte.[2] Schnetzer diente auf dem Zerstörer SMS Lika bis zu dessen Untergang. Für seinen Dienst erhielt er Anfang des Jahres 1916 aufgrund tapferen Verhaltens während der Seeschlacht bei Durrës die kleine Silberne Tapferkeitsmedaille.[3] Dort versank die Lika durch die Detonationen zweier Seeminen, Schnetzer gelang es, sich mit einem Sprung ins Wasser zu retten. Nachdem „er sich mehrere Stunden schwimmend im offenen Meer über Wasser gehalten hatte“[4], wurde er gemeinsam mit weiteren Offizieren und Teilen der Mannschaft von der SMS Tátra aufgenommen.[5] Anschließend diente der Schlinser bis Kriegsende bei den k. u. k. Seefliegern. Ob er als Flieger im Fronteinsatz stand, konnte nicht geklärt werden, die Einteilung in der Flugstation Pola erscheint naheliegend.[6] Als gesichert gilt, dass Schnetzer bei den k. u. k. Seefliegern die Pilotenausbildung absolvierte und nach seiner Flugprüfung am 21. Juli 1918 das Diplom als Wasserflugzeugführer des Österreichischen Aero-Club mit der Nummer 127 erhielt.[7]

Nach dem Krieg war Schnetzer als Kinderbetreuer in der Entourage der ehemals kaiserlichen Familie tätig und begleitete für kurze Zeit Karl Habsburg und dessen Frau Zita nach Madeira ins Exil. Noch vor Karls Tod 1922 gelangte Schnetzer jedoch zurück nach Vorarlberg, wo er zunächst als Finanzwachaspirant im Grenzschutzdienst bei der Bodenseeflotte tätig war. Während eines Dienstes konnte er gemeinsam mit seinem Kollegen Franz Wallach am 30. Mai 1921 zwei Männer retten, die mit ihrem Segelboot aufgrund stürmischer Wetterbedingungen gekentert waren.[8] Danach führte er kurzzeitig mit seinem Bruder ein Unternehmen im Bereich Elektrotechnik ehe er Ende 1922 in die USA auswanderte.[9]

Am 8. Dezember 1922 hieß es unter Schlins und „Auswanderer“ im Vorarlberger Tagblatt:

„Gestern hat ein Sohn unserer Gemeinde, Herr Siegfried Schnetzer, Finanzwachbeamter in Bregenz, die Reise nach Newyork angetreten, um sich jenseits des großen Wassers ein Fortkommen zu suchen. In jungen Jahren ging Schnetzer zur Marine, besuchte in Sebenico die Matrosenschule und erreichte durch seine Tüchtigkeit die höchste Charge, die ein Schiffsjunge ohne nautische Schule erreichen kann. Während des Krieges befand sich Schnetzer auf dem Torpedobootzerstörer ‚Lika‘. Als dieses Schiff dann im Hafen von Antivari auf eine Mine stieß und unterging, rettete Schnetzer sein Leben durch einen kühnen Sprung ins Meer. Später ging Schnetzer zur Marine-Luftschiffabteilung und wurde Aviatiker. Nun will er im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten eine bessere Zukunft finden. Möge ihm das Schicksal im Lande des Dollar gnädig sein!“[10]

Nach zehn Monaten Aufenthalt in Hasbrouck Heights/New Jersey, kehrte er nach Schlins zurück, wo er bis zum 3. Juni 1924 verblieb, ehe er abermals in die USA reiste.[11] In seiner neuen Heimat New Jersey gründete er ein Unternehmen zur Herstellung von Flugzeugteilen. Außerdem war er maßgebliches Mitglied im Vorarlberger Klub von New Jersey. In Hasbrouck Heights heiratete er eine Amerikanerin, ihre Ehe blieb kinderlos. Nach einem Heimatbesuch im Jahr 1956 erkrankte Schnetzer schwer und verstarb unmittelbar nach der Rückkehr in die USA.[12]


[1] Tauf-, Trauungs- und Sterbebuch Schlins 1848-1900, [https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/vorarlberg/], eingesehen am 20.04.2020.

[2] Mitteilung von Martha Sutter-Ammann, Hinwil (Schweiz), o. D. GA Schlins.

[3] Grazer Tagblatt, 28.1.1916, S. 22.

[4] Vorarlberger Landes-Zeitung, 17.1.1924, S. 3.

[5] Mitteilung von Martha Sutter-Ammann, Hinwil (Schweiz), o. D., GA Schlins; vgl. dazu: Ryan K. Noppen, Austro-Hungarian Cruisers and Destroyers 1914-18, Oxford 2016, S. 26.

[6] Verzeichnis über die Kriegsteilnehmer von Schlins, 1921. VLA, ED 1, Verzeichnisse von Gemeinden über Kriegsteilnehmer 1914 bis 1918, Stand 1921.

[7] Marcus F. Zelezny, Pilotendiplome des Österreichischen Aero-Clubs. Inhaber, Prüfer und Bedingungen (1910-1918), Wien 2019, S. 45.

[8] Vorarlberger Tagblatt, 1.6.1921, S. 2.

[9] Vorarlberger Tagblatt, 12.12.1922, S. 3.

[10] Vorarlberger Tagblatt, 12.12.1922, S. 3.

[11] Vorarlberger Tagblatt, 3.11.1923, S. 4; Vorarlberger Tagblatt, 21.6.1924, S. 4.

[12] Mitteilung von Martha Sutter-Ammann, Hinwil (Schweiz), o. D. GA Schlins.

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